Corona und die neue Normalität

Seit mehr als einem Jahr hält die Coronapandemie die Welt in Atem. Ihre Auswirkungen sind tiefgreifend und berühren alle Lebensbereiche: Familie, Beruf, Gesundheit, Bildung etc. Neben den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Folgen sind es auch die psychologischen Auswirkungen, mit denen Einzelne zu kämpfen haben. Die Pandemie drückt nicht nur auf die Stimmung, Menschen kommen sogar an ihre psychische Belastungsgrenze, wenn sie Homeoffice mit Kinderbetreuung verbinden müssen. Eine neue Normalität hat Einzug gehalten. Und auch auf die Sprache hat sich die Coronakrise ausgewirkt.

Sprachwandel in der Coronakrise

Sprache unterliegt einem stetigen Veränderungsprozess. Alte Begriffe verlieren an Bedeutung, neue kommen hinzu. Kein anderes Ereignis hat 2020 die Sprache so stark geprägt wie die Coronakrise. Sie hat eine Vielzahl von Wortschöpfungen hervorgebracht. Der Begriff neue Normalität hat sich im Coronavokabular einen festen Platz erobert. Er beschreibt die neue Wirklichkeit, auf die wir uns in Pandemiezeiten einzustellen haben. Er ist einer von mehr als 1000 neuen Wörtern und Begriffen mit neuen Bedeutungen. Neben vielen anderen hat er Eingang gefunden in das Wortschatzverzeichnis der Sprachforscher des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS).  

Die hier gesammelten Begriffe sind ein Spiegel der Ereignisse und Probleme, mit denen sich Menschen in Deutschland aufgrund der Infektionskrankheit auseinandersetzen. Sogar der „Guardian“ hat sich dieses Themas angenommen und den Eifer der Deutschen an Corona-Wortschöpfungen hervorgehoben (nachzulesen hier: https://www.theguardian.com/world/2021/feb/23/from-coronaangst-to-hamsteritis-the-new-german-words-inspired-by-covid).

Die zusammengetragenen Begriffe reichen vom abgespeckten Lockdown, der leidgeprüften Abstandsgesellschaft und der einzuhaltenden Bürgerdisziplin über das C-Wort und die Distanzschlange bis hin zum Impfneid, der nach verschwörungstheoretischer Überzeugung durch Politiker herbeigeführten Plandemie, dem leergefegten Zombieflughafen und dem Zwangslockdown. Diese Stilllegung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten auf politische Anordnung hin betrifft  im Gegensatz zum abgespeckten Lockdown nahezu alle Wirtschaftsbranchen und sozialen Bereiche.

Neues von der Virusfront

Kein Wunder also, dass so mancher nicht nur eine Coronaangst, sondern gar eine Coronahysterie entwickelt hat. Bei den meisten jedoch hat sich nach diesen langen und anstrengenden Monaten eine tiefe Coronamüdigkeit eingestellt. Sie beeinträchtigt das Wohlbefinden und geht mit mangelnder Konzentration und geringer Motivation einher.

Dem befürchteten Coronablues ist aber vielleicht mit bunten Farben beizukommen. Oder mit Bewegung. Ein gutes Wohnzimmer-Work-out auf engstem Raum hilft, bestimmte Muskelgruppen zu trainieren und den lästigen Lockdownspeck schnell verschwinden zu lassen. Oder wir bekämpfen das Coronatief mit Musik. Sie kann helfen, die Müdigkeit zu vertreiben, für einen Augenblick den Ärger zu vergessen und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Nur gut, dass Corona uns Lockdowngeplagten neben den ganzen ungemütlichen Coronaauflagen auch Erfreuliches beschert hat. Fenster- und Balkonkonzerte haben – trotz Abstand – intensive Gemeinschaftserlebnisse ermöglicht und unser Herz erfreut. Denn Musik verbindet. Und hilft gegen Einsamkeit. Auch – und gerade – in Coronazeiten.

Kollateralnutzen? Coronawende!

Ein schöner Kollateralnutzen! Wie bitte? Ihnen ist das Wort nicht geläufig? Es bezeichnet eine (vermeintlich) positive Nebenwirkung eines entstandenen Schadens. Der „Tagesspiegel“ nennt als Beispiel dafür eine Entwicklung in der Kriminalitätsstatistik: den massiven Rückgang der Straftaten im Kampf gegen die Coronapandemie.

Kollateralnutzen hin oder her. Es wird Zeit für eine Wende, eine Coronawende. Um den Coronaschock, in den das zottelige Virus Menschen auf der ganzen Welt versetzt hat, langsam zu verdauen. Und neue Zuversicht zu gewinnen. Denn Social Distancing ist auf Dauer ganz schön anstrengend. Gar eine Zumutung. Besonders für die Jüngsten unter uns, deren Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Und die doch unsere Zukunft sind.

Wort des Jahres 2020

Freuen wir uns also auf die Nach-Corona-Zeit. Ohne Mund-Nasen-Schutz. Auf dieses Mask-have können wir dann nämlich getrost verzichten. Allein die Schutzmaske, die uns vor Ansteckung bewahren soll, hat zahlreiche, durchaus kreative Wortschöpfungen hervorgebracht. Angefangen bei der Alltags- und Communitymaske und dem Coronalappen über das Faceshield bis hin zur Munaske und dem Schnuttenpulli. Das ist Sprache in Coronazeiten.

Schnutenpulli ist übrigens das plattdeutsche Wort des Jahres 2020. Und dass „Coronapandemie“ zum Wort des Jahres 2020 gekürt wurde, erstaunt nicht wirklich. 

Unwort des Jahres

Auch das Unwort des Jahres 2020 ist ein Spiegel der Sprache in der Coronakrise. Seit 1991 wird das Unwort des Jahres von einer unabhängigen Jury aus Sprachwissenschaftler:innen und Autor:innen ausgewählt und lenkt den Blick auf Wörter und Formulierungen, die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen. 2017 waren es die „alternativen Fakten“, die als Unwort des Jahres das Rennen gemacht haben. 2019 war es die „Klimahysterie“.

2020 wurde ein Wortpaar zum Unwort des Jahres gekürt: „Rückführungspatenschaften“ und „Coronadiktatur“. Der erste Begriff ist beschönigend und zynisch (Rückführung wird hier synonym für Abschiebung gebraucht und suggeriert, dass Abschieben nicht verwerflich ist). Der zweite Begriff ist widersprüchlich und verharmlosend. Er verhöhnt Menschen, die in einer tatsächlichen Diktatur leben müssen und zum Teil Gewalt und Folter ausgesetzt sind.

Satz des Jahres 2020

Und der  „Satz des Jahres 2020“? Auch der Satz des Jahres spiegelt ein für einen bestimmten Zeitraum relevantes gesellschaftliches Thema wider. Er soll als „prägnantes Sprachdenkmal“ eines bestimmten Jahres überliefert werden. Der Satz des Jahres 2020 stammt von Heinrich Bedford-Strohm und lautet „Hass ist keine Meinung“. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland nahm damit zu Hass und Hetze in den sozialen Medien Stellung.

Der Satz ist nicht neu. Damit ist das Buch der Grünen-Politikerin Renate Künast überschrieben (2017 erschienen). Durch die Zunahme von Hassrede und Hasskommentaren in sozialen Medien und bei Demonstrationen wie die der Querdenker erhielt der Satz jedoch eine besondere Aktualität und wurde zum Satz des Jahres ausgewählt.

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Die fett markierten und kursiv gesetzten Begriffe sind – Sie haben es erraten – Teil der neuen Sprache rund um die Coronakrise und können online nachgeschlagen werden unter: https://www.owid.de/docs/neo/listen/corona.jsp#